Wie kam es zu der Bevölkerungs-explosion?
In der Natur werden Populationen von Tier- und Pflanzenarten durch negative Einflussfakturen an ihrer uneingeschränkten Ausbreitung gehindert. Zu diesen Faktoren zählen: Vorkommen natürlicher Feinde, Nahrungs- oder Platzmangel und Krankheiten. In der Regel erhöhen sie die Sterberate. Auf diese Weise entstehen dynamische Gleichgewichte zwischen Spezies, die die Existenz diverser Ökosysteme ermöglichen.
Durch (technische) Entwicklungen ist es dem Menschen gelungen, mehr und mehr dieser negativen Einflussfaktoren auszuschalten. Dies war (erstmal) positiv für den Menschen, da es seine Überlebenschancen stark erhöhte und Leid minderte. Die menschliche Spezies breitete sich immer weiter aus – was aber auch bedeutete, dass andere Spezies weichen mussten.
Los ging das Ganze bereits mit der Entwicklung früher Werkzeuge der Jäger und Sammler. Spezies entwickeln sich i.d.R. (sehr) langsam durch genetische Veränderungen. Erlangt eine Spezies einen Entwicklungsvorteil, ist dieser von begrenztem Umfang, da andere Spezies ‘nachziehen’, d.h. sich ihrerseits weiterentwickeln und dadurch den Entwicklungsvorteil relativieren.
Die Entwicklung von Werkzeugen ermöglichten dem Menschen viel schnellere und größere Anpassungen, auf die sich andere Spezies nicht in der Kürze (durch genetische Veränderungen) einstellen konnten. Aussterbewellen größerer Tiere traten oft zeitgleich mit dem Erscheinen des Menschen in ihren Gebieten auf. Diese Spezies hatten einfach keine Strategien entwickelt, sich ausreichend vor dem Eingriff des Menschen zu schützen.
Die ‚Erfindung‘ der Landwirtschaft und der Übergang zur Sesshaftigkeit setzte eine nie dagewesene Entwicklungsdynamik in Gang. Die durch höhere Nahrungsmittelproduktivität pro Fläche erzielten Überschüsse ermöglichten ein stärkeres Bevölkerungswachstum.
Die Entwicklung, die 10000 Jahre später das exponentielle Bevölkerungswachstum einleitete, war das Zunutze-Machen fossiler Energien. Es folgte eine Explosion technischer Entwicklungen, die bis heute anhält. Dabei wurden Berge und Böden ausgenutzt, Landwirtschaft und Städtebau expandiert – und immer mehr Lebensräume anderer Spezies eingeschränkt und zerstört.
Viele der technischen Entwicklungen dienten der Steigerung der Nahrungsmittelproduktion (z.B. das Haber-Bosch Verfahren, Pestizide, neue Sorten, Landmaschinen, etc.), andere der Gesundheit (Antibiotika, Impfstoffe, Hilfsmaschinen von Brillen bis Herz- Lungenmaschinen, Testinstrumente wie CT, MRT, Medikamente, etc.). Immer weniger Menschen starben in jungen Jahren und die Lebenserwartung stieg. Während immer noch viele Kinder geboren wurden, ging die Kindersterberate stark zurück.
Norman Borlaug, der ‘Vater der Grünen Revolution’, die vielen Menschen das Überleben ermöglichte durch die starke Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion, warnte in seiner Rede bei der Verleihung des Friedensnobelpreises 1970 vor Bevölkerungswachstum: Es sei ‘desaströs, das Bevölkerungswachstum weiterhin fortschreiten zu lassen, bis natürliche Kräfte wieder ein Gleichgewicht herstellten‘. – Damals lag die Weltbevölkerung bei 3,7 Milliarden Menschen.
Die öffentliche Debatte
Nicht nur Borlaug war das starke Bevölkerungswachstum aufgefallen. Viele sprachen zu seiner Zeit in der Öffentlichkeit darüber. Der Entomologe Paul Ehrlich verfasste zusammen mit seiner Frau Anne den 1968 erschienen Klassiker « The Population Bomb » und war Stammgast in der Sendung ‘The Tonight Show Starring Johnny Carson’. Ein weiteres bekanntes Werk, das vor den Folgen des Bevölkerungswachstums warnt und bis heute wegen seiner Aktualität viel zitiert wird ist « The Limits to Growth » von einer Forschergruppe des MIT (geleitet con Dennis Meadows) und in Auftrag gegeben vom Club of Rome.
Bereits 1927 fand die erste internationale Konferenz zur Überbevölkerung in Genf, der Schweiz statt (World Population Conference). In den folgenden Jahrzehnten folgten weitere, organisiert u.a. von den Vereinten Nation.
Trotz öffentlicher Debatten wuchs die Bevölkerung weiter.
Das Tabu
Die International Conference on Population and Development (ICPD) 1994 in Kairo gilt als Wendepunkt im Diskurs um ‘Bevölkerung’. Ab da war es nicht mehr politisch korrekt, über Überbevölkerung zu sprechen. Bei Diskussionen und Initiativen um ‘Bevölkerung’ ging es ausschließlich um Gesundheit, insbesondere von Frauen und Kindern, sowie um Rechte der Frauen.
Die Botschaft « Es ist genug für alle da, es muss nur richtig verteilt werden. » sollte aufkommende Zweifel im Keim ersticken. Menschen, die dennoch Kritik äußern, werden seitdem vielerorts als menschen- oder fremdenfeindlich und sogar als ‚Ökofaschisten‘ stigmatisiert. Das hat zur Folge, dass diejenigen, die sich um Überbevölkerung Sorgen machen, eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden.
Während heute die allermeisten bei « Bevölkerungskampagne » oder « Geburtenkontrolle » an die diktatorische Ein-Kind-Politik Chinas denken, kennen die wenigsten erfolgreiche und freundlichere Kampagnen wie z.B. die des « Mr. Condome » in Thailand.
Pronatalismus
Wer profitiert vom Bevölkerungswachstum? Es ist aus wirtschaftlichen Gründen erwünscht, denn mehr Menschen bedeuten mehr Konsum. Für religiöse Gruppen bedeuten sie mehr Anhänger und damit mehr Macht. Hand in Hand mit dem Pronatalismus geht eine bestimmte idealisierte Mutterrolle. Die Mutterrolle gilt nach wie vor vielerorts (in patriarchal geprägten Gesellschaften) als das höchste zu erreichendes Ziel einer Frau, als die Schlüsselrolle um ein erfülltes, sinnhaftes Leben zu leben oder um einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Dies setzt Frauen unter Druck und schränkt sie ein. Menschen, die keine Kinder haben, werden u.a. steuerlich benachteiligt. Das Wohl der Kinder ist dabei nicht im Fokus. Das Wohl unserer Ökosysteme ist überhaupt kein Teil dieser Narrativen, die uns durch Filme, Werbung oder Medien permanent widergespiegelt werden.Obgleich oder gerade weil die Elternrolle zweifellos eine verantwortungsvolle Rolle ist und auch eine schöne sein kann, ist es wichtig, sich instrumentalisierender Intentionen bewusst zu werden und auch zu hinterfragen, ob die (durch die Gesellschaft) vorgegebenen Gründe in der Welt von heute und für einen selbst noch Bestand haben.
Anthropozentrismus
Der Mensch sieht sich in unserer Kultur als Krone der Schöpfung. Es kursiert die These, dass die Landwirtschaft maßgeblich die Wahrnehmung der Sonderstellung des Menschen in der Natur etabliert hat. Besitz von Fläche, Kontrolle über Pflanzen, Tiere und auch andere Menschen verfestigten mehr und mehr Kulturen der Dominanz. Um in der Lage zu sein oder zu rechtfertigen, andere (Wesen) auszubeuten, musste er die Vorstellung des Getrenntseins, der Sonderstellung entwickeln.
Ökozentrismus
Wie wäre es, wenn sich unsere Kultur von einer anthropozentrischen zu einer ökozentrischen entwickelte?
Im Vergleich zu unseren Vorfahren, die sich einer ökologischen Überlastung ausgeliefert sahen, haben wir einen Riesenvorteil: Wir verfügen (neben vielem anderen) über Verhütungsmittel!